23 Oktober 2006

Kraterstimmung

Heute haben wir - um es in der Versicherungssprache auszudrücken - eine große Schadenstelle besucht. Der Vulkan Haleakala ist mit 3055 m die höchste Erhebung Mauis. In knapp zwei Stunden sind wir mit dem Auto auf dem Gipfel (das geht auch schneller, wenn man ein anderes Auto hat oder näher am Vulkan wohnt). Allerdings haben wir uns nicht dem Hype um den Sonnenaufgang auf dem Vulkan angeschlossen. Es gilt hier allgemein als religiöses Erlebnis, einen Sonnenaufgang auf dem Haleakala zu erleben. Wir haben so einen Sonnenaufgang letztes Jahr auf dem Teide erlebt, der mit 3805 m deutlich höher ist. Das heißt: mitten in der Nacht aufstehen und in Eiseskälte loslaufen. Unsere Erfahrung war, dass das komische Gefühl wenig mit Religion zu tun hat sondern einerseits vom Höhenkoller rührt, andererseits auf das fehlende Frühstück zurückzuführen ist. Also brechen wir gemütlich gegen 9:00 Uhr auf.
Da kommen uns die ersten Verrückten schon auf Mountainbikes entgegen.
Die Einheimischen leben hier teilweise davon, dass sie Touris jenseits der Midlife Crisis dick mit Helm, Handschuhen und Knieschützern verpacken, sie auf den Gipfel des Haleakala karren und sie von dort auf stabil ausgelegten Mountainbikes herunter rollern lassen. Die Leute fühlen sich anschließend jung, sexy und gemocht. Dabei sehen sie einfach nur lustig aus (eigentlich ist das doch eine gute Strategie? Es ist viel einfacher, lustig auszusehen als sexy zu sein. Und die meisten Menschen mögen die Lustigen genau so wie die Hübschen).
Die Fahrt führt duch alle möglichen Vegetationszonen, durch Wolken und dünner werdende Luft. Oben gibt es viele Touris und einen tollen Ausblick. Moskitos gibt es hier nicht - nur ein Marienkäfer fliegt uns zu. Eigentlich ist es eine Schande, auf so einen Berg eine Straße zu bauen. Doch für die Versorgung der astronomischen und militärischen Beobachtungsstation ist sie unerlässlich. Wir sehen von hier die umliegenden Inseln und blicken auf Wolken hinunter.
Einen Wanderweg gibt es auch - und der führt uns weg von den Tourimassen.
Das Ausmaß der früheren Eruptionen war gigantisch. In allen möglichen Rot- und Brauntönen schimmern die zahlreichen Krater. Man kann über den Sliding Sands Trail bis zur Küste hinunter wandern. Allerdings braucht die Wanderung mindestens zwei Tage. Der Weg ist technisch einfach, wenn auch teilweise anstrengend. Durch die zahlreichen kommerziellen Pferdekarawanen hat der Weg sehr gelitten. Man versinkt mit den Schuhen im losen Vulkanschotter und überall ist Erosion zu sehen. Die Übernachtung in einer Hütte oder im Zelt muss drei Monate vorher angemeldet werden (oder man nimmt an einer organisierten Tour teil).
Da unser Auto oben steht und wir für eine Übernachtung nicht ausgerüstet sind, bleibt nur, ein Stück den Trail hinunter und anschließend wieder hinauf zu wandern. Ein lohnendes Ziel haben wir dabei trotzdem: Der hawaiianischen Göttin der Vulkane, Pele, sind zwei Orte im Nationalpark, etwa 500 Höhenmeter unter dem Gipfel, gewidmet: Pu´u o Pele und Ka Moa o Pele. Die Göttin soll immer noch Leuten erscheinen, obwohl der Vulkan längst erloschen ist.
Wir bekommen Pele nicht zu Gesicht. Dafür begegnen wir aber einem jungen Paar, das nicht grüßt, uns aber unbedingt überholen will. Die beiden sind grundunsympathisch und heisse Kandidaten für die heutigen Titel: Zwischenmenschliche-Begegnung-des Tages und Bester-vor uns-laufender-Act-des Tages.
Es ist ihnen anzusehen, dass sie schneller laufen als sie können. Wir trödeln zunächst daher und lassen uns überholen. Die beiden müssen aber immer wieder Pausen einlegen und das Mädel schaut sich jedes Mal um, wo wir bleiben. Das provoziert uns und wir legen einen Schritt zu. Sie lassen sich erkennbar auf den Wettlauf ein, müssen aber immer wieder Pausen einlegen. Ihre körperliche Verfassung verschlechtert sich zusehends. Bald stehen sie gebeugt, in Kotzstellung am Hang. Dabei entsteht dieses Foto! Am Ende kriegen wir sie doch. Aloha.
Auf der Rückfahrt machen wir noch eine Entdeckung, die uns schockiert: Das Kraftwerk der Insel. Es liegt in einem Areal, das auch irgendwo in Rumänien sein könnte: Indrustriebrache, gerade dem 19. Jahrhundert entronnen, dreckig, ostig. Drei Schornsteine machen einen schrecklichen Dreck. Eine Umspannstation hält wacker durch. Unter diesem Eindruck erscheint der lange Stromausfall nach dem Beben plötzlich in einem anderen Licht. Naja, die letzten zwei Tage, die wir auf Maui sind, wird die Anlage schon noch halten!

Keine Kommentare: