09 September 2013

Entlang der Küste

Morgens ist der Himmel in Scanno trüb. Da fällt die Entscheidung leicht, schon früh abzureisen. Wir verlassen unser schönes Hotel Roma und fahren mit dem Bus um neun Uhr zurück nach Sulmona.
Ein hübscher VW-Bus, hinten sogar mit Pickup - auch er hält uns heute nicht in Scanno.
Mit uns reist die Tochter der Hotelbesitzerin. Sie möchte heute nach Mailand. Unser Ziel ist Ancona. Bis Pescara haben wir den gleichen Weg.
Der Bus fährt am hübschen Lago di Scanno vorbei und kurvt durch Schluchten und schmale Tunnels. Über uns taucht Castrovalva wieder auf, das Bergdorf, in dem wir vorgestern übernachtet haben. Das schon etwas betagte Gefährt ächzt und knarzt, doch der Fahrer kennt seine Abmessungen. Zentimetergenau bugsiert er den Bus hinter einem Tunnel an einem entgegenkommenden Reisebus vorbei. Ein kurzer Stopp in Anversa degli Abruzzi, dann konzentriert sich Birgit wieder darauf, strikt nach vorn aus dem Fenster zu blicken. Bloß jetzt nicht schon reisekrank werden, denn heute abend soll es noch aufs Schiff gehen...
Das Schlimmste ist nach Anversa allerdings geschafft, auch wenn der Fahrer auf dem letzten Kilometer noch einmal alles aus der Kiste herausholt, um den Bahnhof auf die Minute pünktlich zu erreichen. Als wir in Sulmona eintreffen, regnet es. Wir bekommen die Fahrkarten nach Pescara vollkommen problemlos am Automaten - und vergessen auch nicht, sie vor Fahrtantritt an einem anderen Automaten zu entwerten. Mittlerweile fühlen wir uns als richtige Italiener - auch wenn die Sache mit der Entwertung bei den Berliner Verkehrsbetrieben bei Lichte gesehen genau so kompliziert gehandhabt wird wie hier. Hauptsache, man fällt nicht als Tourist auf...
Strandpromenade von Pescara
Als wir aus dem Gebirge herauskommen, hört der Regen auf. Der Zug fährt noch eine Weile durch das hügelige Vorland der Abruzzen und nähert sich merklich größeren menschlichen Ansiedlungen. Der Bahnhof Pescara Centrale liegt mitten in der Stadt, nahe der Strandpromenade und verfügt über eine Gepäckaufbewahrung. Beste Voraussetzungen also für einen Ausflug an den Strand.
Ein hübscher Käfer auf dem Corso Umberto I in Pescara
Dort ist nicht mehr viel los. Die Saison ist vorbei, selbst die Duschen sind schon geschlossen. Etwas trostlos stehen die leeren Sonnenliegen in Fünfzehnerreihen am Strand; In den Straßen hängen noch ein paar Übriggebliebene des Sommers herum; Aus einem Laden stolpert ein junger Rastatyp, topless und barfuss; Die Boutiquen haben ihre Ware kräftig reduziert. Für ein gutes Essen in einem Restaurant an der Promenade und ein Bad im Meer reicht es trotzdem. Das Wasser ist noch schön warm.
Alle Fahnen auf "rot" - der Strand wirkt verlassen
Dann steigen wir in den Zug nach Ancona. Die Bahnlinie führt immer am Meer entlang. Kilometerlang reihen sich die Badeorte Haus an Haus an Haus und lassen kaum irgendwo einen unverbauten Blick zu. Hätte hier Capitano Schettino seine Costa Concordia auf den Strand gesetzt, wäre der zusätzliche Schaden für die Umwelt wahrscheinlich überschaubar geblieben...
Architekturmüll am Meer: Hier hätte Schettino sein Costa Concordia ruhig dazu packen können...

Kurz vor Ancona wird die Küste felsiger und der Zug fährt noch einmal ein Stück ins Landesinnere, bevor er die Hafenstadt erreicht. Vom Hauptbahnhof sind es etwa zwei Kilometer bis zum Fährhafen. Es gibt einen Zug, doch der fährt erst in einer Stunde. Also laufen wir die Strecke am Hafen entlang zum Terminal. Auf dem Weg sehen wir noch einmal die ganze Pracht und Grandezza, die italienische Architekten so aufbieten können. Ein riesiges Portal - es ist nicht der Arco Clementino, der im18. Jahrhundert zu Ehren des Papstes Clemens XII. errichtet wurde - überbrückt eine Straße. Bei näherem Hinsehen verbirgt sich hinter der bombstischen Fassade offenbar eine Art Lagerhaus oder Speicher...

Eine Viertelstunde vor Beginn der Abfertigung erreichen wir das Fährterminal. Es stehen schon viele Menschen hier. Wie schon auf der Hinreise fahren heute wieder drei große Fähren nahezu zeitgleich in Richtung Split ab. Als ich die Tickets holen will, erwartet mich am Schalter von Jadrolinija eine Überraschung: Er ist geschlossen.
Ein Schild verweist die Passagiere auf das neue Fährterminal, zwei Kilometer weiter in der Via Einaudi - ein kostenloser Shuttlebus würde direkt dorthin fahren. Der Bus bleibt im Stau der zahlreichen Fahrzeuge stecken, die auf die Schiffe wollen. Nach langer Kurverei durch die Hafenödnis erreicht er schließlich das neue Terminal - das jedoch keine Verbesserung gegenüber dem alten Gebäude darstellt. Immerhin händigt mir eine sehr freundliche Jadrolinija-Mitarbeiterin die Fahrkarten aus und mit einer halben Stunde Verzögerung gehen wir an Bord unserer "Marko Polo".
Die "Marko Polo" in Ancona

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