25 April 2015

Stadtspaziergang ohne Drohne

An meinem ersten Tag in Boston gehe ich mit Birgit zusammen auf Erkundungstour. Für mich ist die Stadt neu. Sie ist ja schon einige Wochen hier und kennt sich mittlerweile aus. Der März und der April waren jedoch sehr kalt, so dass auch Birgit die etwas wärmeren Temperaturen jetzt genießen kann. Wir starten am Boston Common, dem zentralen Park der Stadt. Es sind viele Menschen unterwegs an diesem Sonnabendvormittag.
Um einen Pavillon herum ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung für herzkranke Menschen in vollem Gange. Vor dem Pavillon singt und tanzt eine Mädchen-Tanzgruppe zu süßen Popsongs. Der Himmel ist blau, die Luft kühl und klar, die ersten Bäume blühen kräftig, die verglasten Fassaden der Wolkenkratzer spiegeln den Himmel mit den lustigen Schäfchenwolken. Alles wirkt so schön und friedlich und wie aus einem amerikanischen Traum. Nur ein/e böse/r Kommentator/in aus dem Proskauer-Straßenblog fragt mich: „Wie vereinbarst Du eine Amerikareise mit Deinem Gewissen? Du unterstützt da u.a. ein Land, dass das automatisierte Töten mit Dronen erfunden hat?“
Nun gut: Abgesehen davon, dass man das Wort „Drohne“ trotz aller Abscheu getrost korrekt schreiben könnte, berichten die hiesigen Zeitungen heute darüber, dass Präsident Obama wegen zweiter irrtümlich von einer Drohne in Pakistan getöteten US-Geiseln unter Druck gerät. Ob das nun zu einem Umdenken führt, ist fraglich.

Aber unterstütze ich den Drohnenkrieg, wenn ich in die USA reise? Werden die Dinger nicht auch von Deutschland aus gesteuert? Unterstütze ich die Bürgerkriegsparteien in Nordafrika, Syrien und vielen anderen Teilen der Welt, wenn ich nach Baden-Württemberg oder Bayern fahre, wo mörderische Handfeuerwaffen und Gewehre hergestellt werden, durch die viel mehr Menschen sterben als durch Drohnen? Eine schwierige Frage.
Einfacher hingegen ist es, die behauptete Urheberschaft am automatisierten Töten zu widerlegen: In Auschwitz-Birkenau, Belzec, Majdanek, Sobibor und Treblinka sind deutlich vor Erfindung der Drohnen sehr viel mehr Menschen auf industrielle Weise getötet worden.
Dennoch bleibt es natürlich wahr: Die Decke der Zivilisation ist sehr dünn und der Frieden in vielen Teilen der Welt fragil. Um so mehr lässt sich dieser schöne Frühlingstag heute hier in Boston genießen. 

So ganz perfekt ist die Tarnung des Wolkenkratzers trotz Spiegeleffekts nicht.

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