Trainingsbetrieb am Hochzeiger. Doch wie sieht es abseits der Top-Destinationen aus?
Es ist ja wahr: Die österreichischen Skiorte sind meist noch relativ natürlich gewachsene Gemeinden. Wer einmal französische Skistationen kennengelernt hat, wird verstehen, was ich meine. Und dennoch gibt es auch in Österreich diese spannende Diskrepanz zwischen den gestylten Top-Destinationen und dem „Hinterland“. Das Pitztal liegt zwar deutlich im Schatten des Ötztals – mit Orten wie Sölden oder Obergurgl – und zählt streng genommen wohl nicht zu den Top-Destinationen. Und dennoch: Es tut gut, die Urlaubsidylle auch einmal zu verlassen und den Alltag abseits davon zu erkunden. Imst ist das Städtchen am Eingang des Tales, der Ort von dem die höher gelegenen Gemeinden aus versorgt werden.
Heute Abend ergibt sich die Gelegenheit
zu einem Besuch, denn in unserer Jugendherberge sind die
Internet-Passwörter ausgegangen. Vor zwei Jahren gab es meiner
Erinnerung nach im Stadtzentrum von Imst noch ein Café mit WLAN.
Doch heute gegen 22:00 Uhr ist die Stadt wie ausgestorben. Einzig ein
„Orient Grill“ – eher ein Imbiss mit angebautem Zelt als
„Gaststube“ – ist noch offen. Außerdem gibt es ein Café mit
zugehängtem Fenster, in dem heute ein Skatturnier stattfindet, ein
Gasthaus, das ganz einladend aussieht, aber kein WLAN hat sowie eine
recht belebte Weinkneipe.
Nur wenige Leute sind auf der Straße
anzutreffen. Sie gehen meist eiligen Schrittes und gesenkten Blicks
an mir vorbei und verschwinden oft ganz plötzlich hinter
irgendwelchen dunklen Türen – manchmal im Souterrain – so dass
ich mich frage, ob sich dahinter vielleicht heimliche Kellerverliese
für versteckt gehaltene Familienmitglieder verstecken.
Das Städtchen ist ansonsten ganz
hübsch. Mir fallen die vielen Brunnen auf, die oft Heiligen
gewidmet sind. Es gibt sehr viele schöne alte Häuser, aber
dazwischen auch Neubauten, die nicht zum „Besten der siebziger,
achtziger und neunziger Jahre“ zu zählen sind.
Auffallend viele Banken und
Versicherungen sowie Friseur- und Kosmetikgeschäfte sehe ich auf
meinem nächtlichen Rundgang.
Viele sehr repräsentative Gebäude,
wie das Hotel Post, sind stockdunkel und scheinen leer zu stehen.
Dann sehe ich plötzlich eine einsame Zigarettenraucherin in einem
dunklen Vorgarten sitzen. Stumm schaut sie herüber. Ob sie zu einer
versteckten Familie gehört?
Es ist mir egal. Ich setze mich in mein
Auto und fahre weiter. An der Einmündung einer Nebenstraße wartet
ein Polizeiauto auf mich.
Es biegt nach mir in die Hauptstraße
ein und folgt meinem roten TU-Bus. „Na toll“, denke ich. Doch
nach wenigen hundert Metern hält die Polizei vor dem Skat-Café an.
Dort steht ein BMW in falscher Fahrtrichtung auf der Straße. Junge
Leute stehen darum herum. Eine klare Aufgabe für die Ordnungshüter
in dieser scheinbar aufgeräumten Stadt.
Drei Tage später finde ich unter der
Überschrift „Kotschmierer in Imst“ folgende Meldung in der
Tiroler Ausgabe der „Kronen“-Zeitung: „Seit Jänner
verunstaltet ein Unbekannter in Imst immer wieder Laternen,
Mülleimer, Verkehrszeichen oder Stiegenhäuser mit Fäkalien.
Hinweise erbeten...“
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