16 Februar 2013

Treibgut

Es ist jedes Mal nach einer Reise das Gleiche: Der Bus kommt nachts in Berlin an, gut erholte Leute steigen aus, herzzerreissende Abschiedsszenen, Koffer und Taschen werden ausgeladen, die abgestellten Autos vom Schnee befreit oder nach Taxis gewunken. Dann löst sich die Gruppe nach einer Woche Ski- oder Snowboardurlaub langsam auf. Zurück bleibt aber eigentlich immer irgendein Gepäckstück. Ich bleibe daher immer bis zum Schluss - und sammle die Schätzchen dann ein.
Diesmal jedoch hatte ich kurz vor der Ankunft über die Bordlautsprecher ausdrücklich auf die Problematik hingewiesen ("Bis auf Kinder wurde eigentlich schon alles stehen gelassen..."). Doch meine Hoffnung wurde enttäuscht: Diesmal blieben eine Schischuhtasche und ein Paar fast neue Bergschuhe zurück.
Der Besitzer der Schischuhe war schnell gefunden. Er meldete sich auf meine Rundmail reumütig schon am Sonntag. Und zu seiner Entschuldigung muss gesagt werden, dass er selbst nicht mit im Bus saß, sondern uns die Sachen nur mitgegeben hatte, weil in seinem PKW nicht genügend Platz war. Er hatte die Ansage nicht hören können.
Und er hatte eine Schuldige parat:
"Nachdem ich mit meiner Frau am Bus war, wollte sie schnell und noch schneller nach Hause, da denk ich mal sind sogar noch mehr Sachen vergessen worden. Ich hatte die Taschen selbst direkt vom Bus geholt und an die Seite gestellt, aber da ich so gehetzt wurde habe ich die vergessen. Also kann es durchaus sein , dass das alles von mir ist."
Die Frau musste es am Ende auch ausbaden und die Tasche für den reisenden Herrn Gemahl abholen. Doch die Bergschuhe konnte sie ihm nicht zuordnen.
Und so blieben sie bei mir liegen. Ich vermutete schon, dass sie möglicherweise versehentlich in den Bus geladen worden waren und beschloss daher, sie in der nächsten Woche wieder nach Südtirol in das Hotel mitzunehmen. Vorher schickte ich jedoch noch einmal eine Mail an alle Mitreisenden - diesmal mit Foto der Schuhe und der Tüte, in die sie verpackt waren.
Die Tüte lieferte dann den entscheidenden Hinweis: Sie stammte aus einem Laden in Hinterglemm. Das erinnerte die Mutter eines mitreisenden Teenagers daran, dass der ebenfalls mitreisende Freund ihres Sohnes kürzlich auf Klassenfahrt in Hinterglemm war. Die Schuhgröße stimmte auch - nur erreichen konnte sie den Jungen noch nicht. Ihren Sohn konnte sie auch nicht nach der Telefonnummer des Freundes fragen, denn er schlief am Sonnabendvormittag noch.
Nachmittags jedoch bekam ich folgende herzallerliebste E-Mail von dem Jungen:
"Hallo Martin,
es tut mi leid für die späte Rückmeldung, aber ich befürchte die Schuhe gehören mir. Habe sie wohl ausversehen stehen lassen. Wäre es möglich das du sie nicht zurück nach meransen bringst und ich sie irgendwie abholen könnte? Mit freundlichen Grüßen..."
Sie sind doch süß diese Teenager - und ich überlege ernsthaft, ob ich ihm die Schuhe jetzt doch zurück gebe ;-) .

Keine Kommentare: